Glocken - ihre Geschichte und Entstehung.
Zur Geschichte der Glocke. Ein kurzer Überblick.
Schon seit mehreren Jahrtausenden exisitieren Glocken, wenn auch nicht in der Form, in der wir sie heute kennen. Bereits um 3000 v. Chr. werden im chinesischen Kaiserreich erste Glockenspiele erwähnt. Bis zu einer liturgischen Verwendung von Glocken sollte es aber noch ein weiter Weg. sein. Mit Beginn der iroschottischen Mission konnten zwischen dem sechsten und achten Jahrhundert erstmals kleine, von Wandermönchen mitgeführte, aus Blech geschmiedete Handglocken, in das heutige Gebiet Mitteleuropas gelangen. Ab dem 11. Jahrhundert begann man schließlich mit dem Guss von Bronzeglocken für die immer größer und höher werdenden Gotteshäuser. In der Form eines Bienenkorbes wurden die Glocken zu dieser Zeit gegossen - ihr Klang war allerdings blechig und unzufriedenstellend. Man begann also mit Versuchen, das Klangbild zu verbessern. Es entstanden in der Mitte des 12. Jahrhunderts die, wiederum nach ihrer Form benannten, Zuckerhutglocken, welche einen deutlich schöneren, aber noch nicht tadellosen, Klang aufweisen. Die Glockengießer der damaligen Zeit waren also bald weiterhin damit beschäftigt, die Konstruktion (Rippe) der Glocken zu verbessern. Noch im 13. Jahrhundert gelang der "Durchbruch": Die Entwicklung der sog. Gotischen Rippe, welche spätestens 1497 mit dem Guss der Maria Gloriosa im Erfurter Dom, der größten erhaltenen mittelalterlichen Glocke der Welt, ihre absolute Vollendung finden konnte. Erstmals war es möglich Glocken aufeinander abzustimmen und ein harmonisches Geläute fertigen zu können. Die damals entstandene Technik wird in leicht veränderter Form noch heute verwendet, mehr dazu unten. Zu Gunsten des Schaffens großer Dom- und Kathedralgeläute im 19. Jahrhundert, wurden viele dieser historisch äußerst wertvollen Glocken eingeschmolzen, um ihr Material zum Guss der neuen Glocken verwenden zu können. Viel größere Opfer forderten allerdings die beiden Weltkriege in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in welchen zusammengerechnet mehr als 250.000 Glocken zu Rüstungszwecken eingeschmolzen worden sind. In diese Zeit fällt jedoch auch die Entwicklung neuer Konstruktionen: Während schon etwas früher, in den 1850er Jahren , in den Hallen des als Bochumer Verein bekannten Stahlwerkes in der Ruhrstadt erstmals Glocken aus Stahl entstanden sind, folgte noch während des 1. Weltkrieges die Entwicklung von Eisenglocken in der Firma Ulrich und Weule in Bockenem am Harz. Zudem entstanden nach Ende des Zweiten Weltkrieges noch Bronzeglocken in Legierungen, die von der übrigen Glockenbronze (78% Kupfer, 22% Zinn) abwichen - zum einen in der sog. Briloner Sonderbronze, welche vom dort ansässigen Glockengießer Albert Junker verwendet wurde, daneben in der Euphonlegierung, welche Karl Czudnochowsky aus Erding entwickelt und genutzt hatte. Der Villinger Gießer Benjamin Grüninger goss nach Kriegsende zusätzlich Glocken in Weißbronze, welche allerdings mit einem dumpfen Klang in den meisten Fällen nicht überzeugend waren und daher heute oftmals ausgetauscht werden. Auch Eisen- und Stahlgeläute befinden sich auf dem absteigenden Ast, da oftmals Bedenken bzgl. der Sicherheit der Läutenanlage und Beständigkeit des Materials bestehen und heute keine Glocken mehr aus diesen Ersatzwerkstoffen gegossen werden. Während Stahlglocken nur technisch unbedenklichen Oberflächenrost aufweisen, kann Eisen aufgrund innerer Lunker auch von innen heraus rosten kann. . Bronze hat sich also bewährt - daher werden bis heute Glocken ausschließlich aus Bronze gegossen.
Kunigundenglocke im Bamberger Dom (zwischen 1185-1237) gegossen in Bienenkorbform, sehr charakteristischer Klang
Totenglöckchen in Paimar (um 1200) gegossen in Zuckerhutform
Buchstabenglocke in Kolitzheim (13./14. Jhdt.) in einer Übergangsform von Zuckerhut zur gotischen Glockenrippe gegossen
Große Osannaglocke in der Severikirche Erfurt (1474) in gotischer Glockenrippe gegossen, verziert von Glockenritzzeichnungen
Glockenstuhl der Rothenburger Jakobskirche (1626/27) mit (insg. 6) erhaltenen Glocken aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges
Doch wie entsteht eine Glocke? - Vorbereitung und Glockenguss.
Glockenguss in der Fa. Bachert, seinerzeit Karlsruhe (2016)
Neue Glocken vor dem Transport, Vierzehnheiligen (2019)
Glockenweihe in Vierzehnheiligen (2019)
Die neue Glocke schwebt in den Turm hinein, Marktbreit (2016)
Wochenlange Vorbereitung.
Kurzfassung eines langen Prozesses.
Zunächst ist zu überlegen, in welchem Ton und in welcher Größe eine Glocke entstehen soll. Erst dann kann mit den eigentlichen Vorbereitungen des Glockengusses begonnen werden. Diese sind im Gegensatz zum eigentlichen Guss sehr zeitaufwändig und bedürfen einiges an Feinarbeit.
Als erstes wird das Profil der Glockeninnen- und außenseite auf eine hölzerne Schablone gezeichnet und ausgesägt. Zeitgleich kann man in der Gussgrube mit dem Aufmauern des sog. Glockenkerns aus Backstein und Lehm beginnen. Nach Abschluss des Mauerns wird das Schablonenbrett drehbar über dem Kern angebracht, sodass der Lehm Schicht um Schicht immer feiner auf dem Glockenkern angebracht werden und trocknen kann. Nun entsteht die sog. falsche Glocke. Auf ihr werden spätere Verzierungen, welche auch auf der Glocke zu sehen sein sollen, in Wachsform angebracht.
Abschließend wird die falsche Glocke mit Wachs überstrichen und wieder mit Lehm überpinselt, bevor eine großzügigere Lehmschicht aufgetragen wird, welcher nochmals mit Bandeisen und Draht verstärkt wird, um dem enormen Druck des flüssigen Glockenmetalles (der sog. Glockenspeise) beim eigentlichen Glockenguss standhalten zu können.
Wenn die Form getrocknet ist, wird der Glockenmantel vorsichtig angehoben und die falsche Glocke darunter zerschlagen, sodass nur der Glockenern und -mantel übrig bleiben. Der Mantel wird über den Kern gestülpt, sodass der entstandene Hohlraum exakt die Form der zu giessenden Glocke bildet. Die Verzierungen, welche sich in den Lehm abgedrückt haben, schmelzen noch beim Ausbrennen vor dem eigentlichen Glockenguss.
Abschließend wird noch die Glockenkrone, an welcher die Glocke später aufgehangen wird, aus Wachs geformt und mit Lehm übergossen, dann auf den Glockenmantel aufgesetzt und ebenfalls gebrannt. Die langwierigen Vorbereitungen sind damit vollendet.
Der eigentliche Glockenguss.
Minutensache.
Die Gussgrube, in welcher sich die Glockenformen nun befinden, wird am Gusstag mit Sand verfüllt, sodass der beim Guss entstehnde Druck des Metalles die Formen nicht sprengen kann. Durch über den einzelnen Glocken montierten Einlauföffnungen kann später die flüssige Glockenspeise laufen.
Die besondere Kunst der Glockengießer ist es nun, die richtige Legierung (Glockenbronze im Normalfall 78% Kupfer und 22% Zinn) und Gusstemperatur (etwa 1100°C) zu finden. Das flüssige Metall wird zunächst im Gussofen erhitzt, bevor das mit Spannung erwartete Zeichen zum Herausschlagen des Propfens gegeben wird. Die Glockenspeise fliesst nun durch Rinnen in die Erde, in die Glocke - von unten nach oben. Es ist vollbracht.
Erst nach einigen Tagen, wenn die Glocke erkaltet ist, wird sich zeigen, ob die Glocke klanglich und auch optisch gelungen ist und sich die mühevolle und aufwändige Arbeit der letzten Wochen gelohnt hat.